1979 Rathausbrunnen Hof

Gedanken zum Bürgerbrunnen
Von Bildhauerin Margarete K. Wiggen

Jede Stadt wird liebenswerter durch ihre Brunnen auf Plätzen und Straßen, in Mauernischen und Gärten. Steigende, fallende, rieselnde und springende Wasser symbolisieren Le­ben; sie erfreuen uns durch Frische und Lebendigkeit.

Nachdem man um 1800 viele Zier-und Nutzbrunnen aus den Stadtbil­dern verschwinden ließ, besann man sich in den letzten Jahren wieder auf die „gute alte Zeit“ und errichtete neue Brunnen. Während über viele Jahre hinweg bei diesen Neuschöp­fungen abstrakte Formen bevorzugt wurden, wünscht sich heute eine ständig wachsende Zahl der Bürger wieder erkennbare Plastiken, gestal­tet als Mensch oder Tier. Wie auch früher schon, so wird heute wieder mehr und mehr der Brunnen zur Stätte menschlicher Be­gegnungen. Menschen rasten und re­den miteinander, Kinder spielen am Brunnenrand, junge Leute werfen Münzen ins Wasser und hoffen, daß ihre unausgesprochenen Wünsche in Erfüllung gehen werden. Wird der Standort für einen Brun­nen gewählt, ist zu überlegen, welche Ideen oder welches Anliegen sich ge­rade hier, an diesem Platz künstle­risch umsetzen läßt. Betrachten wir unter diesem Aspekt den Brunnen am Hofer Rathaus.

Ein abstrakter Brunnen mit größerem Wasserfall wäre sicher fehl am Platz gewesen. Bei dem zur Verfügung stehenden kleinen Raum hätten die Passanten schon beim kleinsten Windstoß eine Dusche bekommen, das Pflaster wäre im Umkreis ständig feucht. Ein abstraktes Gebilde dürfte wohl auch kaum so recht in die Nähe des schönen alten Rathausturmes ge­paßt haben. Zudem wurde immer wie­der der Wunsch geäußert, den verlo­renen alten Brunnen aus der Ludwig­straße in neuer Art wieder erstehen zu lassen. Was lag also näher, als unter den drei Kastanien einen Brunnen zu bauen, der von allen Bürgern „angenommen“, volkstümlich und voll Le­ben das Alte mit dem Neuen verbindet.

Hier ist dem Hofer Gestalt gegeben. Die Figuren der Kinder, der studierenden und musizierenden Schüler, des jungen Paares und des alten Man­nes mit Stock und Zigarre symbolisie­ren die Vitalität der Menschen in den verschiedenen Lebensphasen. Der sit­zende Ballspieler zeugt für sportliche Aktivität. Auch einige Zünfte sind beispielhaft vertreten. Bäcker, Schneider, Kaminkehrer und Brauer stehen für alle anderen Zünfte und viele Berufe, weil Essen, Trinken, Kleidung und Heizung hiermit ange­sprochen werden sollten. Die Marktfrau erinnert mit ihren Apfelkörben an die alte Tradition der verschiedenen Hofer Märkte; auch heute noch wird diese alte Art des Handels in der Stadt bewahrt. Eine junge Frau am Spinnrad, der Mann mit dem aufgerollten Stoffbal­len und das Mädchen mit der Spindel wollen nicht nur an die Stifter des Brunnens erinnern, sondern auch daran, daß ein Großteil der Bürger dieser Stadt direkt oder indirekt von der Textilindustrie lebt. Die leichte und die ernste Muse, ver­treten durch die Tänzerin mit den zwei Masken, der Cellist und der sit­zende Gitarrenspieler verweisen den Betrachter auf das rührige Hofer Kul­turleben. Da Hof auch ein Verwal­tungszentrum ist, sollte der Vertreter dieser großen Berufssparte mit Plan­rolle und den unvermeidlichen Akten als Symbol für Sicherheit, Recht und Ordnung nicht fehlen.

Alle Figuren, zu einer Einheit zu­sammengewachsen und doch in aufge­lockerter Bewegung zueinander, mit­einander und manchmal etwas auf Di­stanz, drücken symbolhaft aus, daß die Bürger der Stadt Hof es verstehen, nebeneinander und miteinander zu le­ben, sich gemeinsam zu freuen und mit den Realitäten des Lebens fertig zu werden.

Das Figurenoberteil und die Was­serausläufe wurden in meinem Atelier in Köditz modelliert und im Wachs­ausschmelzverfahren in der Bronzekunstgießerei von Otto Strehle in Ei­senfelden/ Neuötting gegossen. Säule und Becken wurden von der Firma Jahreiß aus Fichtelgebirgsgranit ge­fertigt.


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