M.K. Wiggen

Nur ein Augenblick”Nur ein Augenblick” nennt die Künstlerin eine Bronzeplastik. Sie zeigt ein Mädchen mit erhobenem, nach vorn abgewinkeltem Arm. Auf der Hand sitzt ein Vogel. Erstaunt, abwartend, fast ängstlich ist der Gesichtsausdruck. Wird der gefiederte Besucher verweilen oder bald, viel zu bald, wieder wegfliegen? Ein Augenblick kann vieles in sich bergen, so oder so.

Viele der diese Figur umgebenden kleinen und großen Bronze- und Steinarbeiten in dem hellen Arbeits- und Ausstellungsraum des Künstlerhauses – auch die Bilder an den Wänden – zeigen „Augenblicke“. In den hier aus einer Vielzahl von Motiven herausgegriffenen Titeln wie „Flucht“, „Angst“, Gewalt“, „Im Regen“, „die Nachbarin“, Mutter und Kind“ werden Situationen dargestellt, die den Besucher „ansprechen“ und nachdenklich stimmen. Kinder- und Tierplastiken gehören jedoch ebenso in den Bereich ihres künstlerischen Schaffens. Freud und Leid – auch im Bezug zum Mitmenschen und zur Kreatur – finden hier beredten Ausdruck.

Dies kommt nicht von ungefähr. Die am 7. Februar 1923 im westfälischen MarI Geborene beschritt schon frühzeitig „ihren“ Weg. Angeregt von einem mit dem Vater befreundeten Maler und Bühnenbildner, stattete sie schon als Mädchen Kindergärten mit ihren Bildern aus und schuf bereits als Dreizehnjährige Bühnenbilder für eine vom Vater geleitete Theatergruppe. Der Krieg bewog sie, ihre künstlerischen Neigungen zurückzustellen und sich ausschließlich dem Dienst am Mitmenschen zu widmen. Nach Studium und Praktikum in Westfalen baute sie gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen die Betreuung der Vertriebenen und Heimkehrer im Raume Oldenburg auf. In dieser Zeit legte sie auch ihr Examen als Religionslehrerin an der Pädagogischen Hochschule Vechta ab. Hier begegnete sie einem Dominikanerpater, der sie wieder auf ihre ursprünglichen Neigungen (Malerei und Bildhauerei) zurückführte. Durch ihn geriet sie in einen Kreis Gleichgesinnter, die auf engstem Raum mit geringen Mitteln ihre Erlebnisse der letzten Jahre künstlerisch umzusetzen versuchten.

Während fünfjähriger Sozialarbeit in Cloppenburg kam eine weitere wichtige Begegnung hinzu. Professor Paul Dierkes von der Kunstakademie Berlin, ein geachteter Bildhauer und Kunstpädagoge, hatte – in seinem Vaterhause in Cloppenburg weilend – die Arbeiten der im Nachbarhaus lebenden Künstlerin entdeckt und animierte sie zu intensiverer Beschäftigung mit der Bildhauerei. Aus der nachbarlich-freundschaftlichen Verbindung mit der Familie Dierkes schöpfte sie viele Anregungen. Die berufliche Arbeit bestimmte sie dazu, auch in ihrer gestalterischen Aussage den Menschen in den Vordergrund zu stellen.

1952 Eheschließung nach Aufenthalt in Berlin. Bei ihrem Ehemann J. Gerhard Wiggen fand sie verständnisvolle Unterstützung. Er sorgte auch dafür, daß seine junge Frau bei Professor Nathanson in Paris ihre Kenntnisse, insbesondere die durch den Krieg vernachlässigte Fortbildung in Zeichnung und Malerei, erweitern konnte. Im Köln-Düsseldorfer Raum, und im Rheinland überhaupt, entstanden in der Folgezeit Bilder, Plastiken und Reliefs vorwiegend im sakralen Bereich, sowie Kleinbronzen.

Die schöpferische Kraft hierzu fand sie immer wieder in ihrer Zufluchtstätte, dem selbst eingerichteten und ausgestatteten Bergbauernhaus in der Nähe der von ihr so geliebten Stadt Salzburg.

Altarraum, Kreuzweg und eine Plastik „Die Begegnung“ in der Kirche der Universitätsklinik Mainz hat Margarete K. Wiggen gestaltet. Für die Kirche in Garbeck schuf sie ihren ersten großen Kreuzweg. Kirchen in Leverkusen und im Sauerland sowie verschiedene Krankenhäuser hat sie mit Plastiken, Wandmalereien und Bildern ausgestattet. 1977 erhielt die Künstlerin den Auftrag, für die neuerbaute Pius-Kirche in Hof/Saale Türgriffe, Ambo, Osterleuchter, Altarleuchter, Vortragekreuz und ein Relief „Papst Pius X“ in Bronze zu fertigen.

Ausstellungen in Münster/Westf. , Königstein/Ts. , Frankfurt, Mönchengladbach, Köln, Würzburg, Selb, Gronau/Westf. , Bayreuth, Bamberg, Passau: Bonn, Schloß Pommersfelden, Schwarzenbach/Saale, Schweinfurt, München, Bad Füssing, Hof/Saale und Nürnberg vermittelten bisher einen Einblick in ihr künstlerisches Schaffen. Aber nicht nur in Kirchen und Ausstellungen, auch in der Öffentlichkeit fallen ihre figürlichen und abstrakten Plastiken und Reliefs im hiesigen Raum schon ins Auge. Im Kreise der Kunstfreunde werden vor allem ihre Kleinplastiken geschätzt.

Seit Dezember 1971 wohnte und arbeitete Margarete K. Wiggen in Köditz bei Hof/Saale. Ärztlicherseits war ihr und ihrer Familie ein Wohnungswechsel ins Mittelgebirge empfohlen worden. Man entschied sich für Oberfranken, der Heimat ihrer Großeltern, die in der Gegend von Kronach ansässig waren. 1990 zog sie von Köditz nach Bayreuth.

Frau Wiggen war Mitglied des Berufsverbandes Bildender Künstler und der Deutschen Gesellschaft für Christliche Kunst. Ihr Atelier wurde zum Ziel vieler Kunstfreunde aus dem bayerischen Raum, den anderen Bundesländern und dem Ausland.